Als man Thomas Mann 1955 anlässlich Schillers 150. Todestages nach Deutschland einlud, geschah dies unter politisch geteilten Himmeln. Um den 1933 aus Deutschland exilierten Nobelpreisträger und seine Schillerrede entspann sich eine kulturpolitische Kontroverse zwischen West und Ost. Als „Dichter der Nation“ ließen sich im geteilten Nachkriegsdeutschland sowohl Friedrich Schiller als auch Thomas Mann für die jeweils eigene und gegen die andere Seite instrumentalisieren. Bei der Entscheidung Für oder Wider spielten in Stuttgart wie Weimar sehr persönliche Neigungen und (vor allem in der Bundesrepublik) auch Abneigungen eine Rolle. Im Westen war es Bundespräsident Theodor Heuss, der sich für den Nobelpreisträger gegen mancherlei Widerstände stark machte, im Osten der DDR-Kulturminister Johannes R. Becher. Während Heuss Thomas Mann gelegentlich dessen Stuttgarter Rede erstmals traf, gingen Bechers Sympathien für die Familie Mann in die Zeit der Weimarer Republik zurück. Thomas Mann hatte sich in jenen Jahren in einem Hochverratsprozess gegen Becher und dessen Schrift „Levisite“ für den kommunistischen Expressionisten eingesetzt. In der Bundesrepublik hingegen blieb der Autor der „Buddenbrooks“ und des „Zauberberg“ wegen seiner im amerikanischen Exil gegen Nazideutschland geäußerten Positionen auch nach 1945